Das Konzept von Kopenhagen: „A metropolis for people“
Die Stadt Kopenhagen in Dänemark will die Stadt allen Menschen näher bringen und hat bereits 2009 ein Konzept beschlossen.(1) Folgende fünf Fragestellungen waren für einen Handlungsleitfaden für kommunale Fußverkehrsstrategien auch in Deutschland von Interesse:
- Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
- Gibt es einen Durchführungs-Beschluss?
- Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
- Ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen?
Am Ende finden Sie die Quellenangabe.
Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
Die Vision der lebenswertesten Stadt der Welt: Kopenhagen strebt an, zur nachhaltigen Stadt zu werden, zu einer Stadt für Menschen, die diese durch ihre Gestaltung zu einem einzigartigen und abwechslungsreichen Stadtleben einlädt. Es gibt aber noch weitere Gründe für die Förderung des Fußverkehrs:
- Gehen ist die ursprünglichste Form der Bewegung,
- Gehen ist leicht, gesund und nachhaltig,
- Gehen kostet nichts im Vergleich zur Autonutzung sowie
- Gehen ermöglicht Sinneserfahrungen und Entdeckungen und Kontakte zu anderen Menschen
Die Förderung des Fußgängerverkehrs wird deshalb als eine Voraussetzung für einen funktionierenden Verkehrsablauf angesehen.
Welches sind die wesentlichen Ziele?
Ziel ist es das Gehen bequemer und sicherer zu machen und leichter von A nach B zu kommen. Der Anteil des Fußgängerverkehrs soll bis 2015 im Vergleich zu 2009 um 20% gesteigert werden.
Gibt es einen Durchführungs-Beschluss?
Der Auftraggeber des Projektes „A metropolis for people – Visions and goals for Urban life in Copenhagen 2015“ ist die City of Copenhagen – The technical and environmental administration. Durch diesen Auftraggeber wurde 2009 schließlich auch die Beschlussfassung durchgeführt.
Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
Die Stadt hat sich folgende Aufgabenstellungen vorgenommen:
- Leichte Erreichbarkeit von Freizeit- und Erholungseinrichtungen (Baden, Segeln, Park) durch ein Fußwegenetz für Gehen und Laufen.
- Planung und Ausstattung der Stadt in der Weise, dass auch die Bedürfnisse behinderter und älterer Menschen nach Mobilität und Teilnahme am städtischen Leben befriedigt werden.
- Schutz vor Unfällen und Unannehmlichkeiten.
- Bevorzugung der Fußgänger in zu sanierenden Hauptgeschäftsstraßen und anderen wichtigen Straßen.
- Aufbau eines Fuß- und Radwegenetzes, das sicher und bequem ist.
- Umsetzung einer Fußgängerverkehrsstrategie
- Auswertung durch einen „Fußgängerbericht“ von Verkehrszählungen und Umfrageergebnissen unter den Bürgern.
Ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen?
Die Stadt führte Gespräche mit Hausbesitzern, Planern, Architekten, Landschaftsarchitekten, örtlichen Komitees und allen Bürgern und Nutzern der Stadt. Es gab ebenfalls einen Dialog zwischen Experten und Bürgern, damit die Experten die Wünsche und Bedürfnisse der Bürger kennen lernen und entsprechend umsetzen können. In der Verantwortung der Stadt liegt es, darauf zu achten, dass die Arbeiten sachgerecht/professionell ausgeführt werden, der Kostenrahmen eingehalten wird und die Örtlichkeiten nach Abschluss der Arbeiten sauber und ordentlich sind.
Quelle:
- City of Copenhagen (2011): „More people to walk more, The Pedestrian Strategy of Cpoenhagen“
Die Beschreibung der Aktivitäten zur strategischen Förderung des Fußverkehrs in der Stadt Kopenhagen und damit verbunden die Übersetzung des Dokumentes erfolgten Ende 2016.
Die Fußgängerstrategie von Pontevedra: „metrominuto“
Die Stadt Pontevedra an der nordwestlichen Spitze von Spanien hat einen ziemlich grundsätzlichen Plan zur Förderung des Fußverkehrs beschlossen und in Schritten umgesetzt. Folgende drei Fragestellungen waren für einen Handlungsleitfaden für kommunale Fußverkehrsstrategien auch in Deutschland von Interesse:
- Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
- Was ist bisher umgesetzt / erreicht worden?
Am Ende finden Sie die Quellenangabe.
Da die Begründung für die Aktivitäten in Pontevedra und die grundsätzlichen Anmerkungen sehr motivierend sind, wurden sie in Kurzfassung hinzugefügt:
Das Ziel der Strategie "Better on foot" (Besser zu Fuß) Pontevedras besteht darin, eine urbane Reform durchzusetzen. Sie hat ihre Anfänge in den späten 1990`er Jahren. Bis dahin dominierte in Pontevedra der motorisierte Verkehr. Der Raum, der früher durch Autos besetzt war, wird nun von Fußgängern benutzt. Dieser Vorgang wird Pedestrianization (Fußgängerfizierung) genannt und besagt, dass jeder Mensch Zugang zum öffentlichen Raum bekommen soll. Vor allem stehen bei der urbanen Reform die Belange der Kinder im Vordergrund. Inspiration bieten hier 'City of Children' von Francesco Tonucci und 'Calmar el tráfico' (Verkehrsberuhigung) von Alfonso Sanz. Mobilität ist bei der Kommunalverwaltung Pontevedras mit (fast) allen anderen Themen verknüpft: öffentliche Bauvorhaben, private Bauvorhaben, Infrastruktur, Polizei, Instandhaltung, Kommunikation, kulturelle Feste, Sport, Rechtsdienstleistungen sowie Disziplin und Abgaben.
Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
1. Schaffung von öffentlichen Raum
Öffentlicher Raum für Fußgänger entsteht durch umfassende Beschränkungen des motorisiertem Verkehrs. Diese bieten neue Möglichkeiten für (Fuß-)Wege in der Stadt. Sich mit dem Fahrrad oder zu Fuß in Pontevedra zu bewegen ist sehr einfach, gesund und sicher. Der Straßenraum für den motorisierten Verkehr wurde deutlich verengt und mit Schwellen versehen, welche leichtere Querungen der Fußgänger ermöglichen sollen. Gleichzeitig wurde der so entstandene Raum für breitere Fußwege genutzt. Zusätzlich hat Pontevedra als erste Stadt ein gesamtstädtisches Tempolimit von 30 km/h eingeführt. (1) Zentrale Orte sind in Pontevedra innerhalb von wenigen Minuten fußläufig erreichbar. Dazu wurde eine Karte "metrominuto" (2) erstellt, die sowohl die Distanzen in Metern bzw. Kilometern und in Minuten bei einer Gehgeschwindigkeit von 5km/h anschaulich darstellt.
2. Umsetzung der Intermobilität in der Stadt
Ein weiteres und wichtiges Ziel ist die Intermobilität in Pontevedra. Diese basiert auf der Priorisierung von nicht motorisierten Bewegungen. Am Rande des Zentrums gibt es einen großen Parkplatz mit einer Platzkapazität für 1000 Autos. Dieser Parkplatz gilt als Wechselzone zwischen Auto- und Fußverkehr. Innerhalb von zehn Gehminuten können von dort aus viele zentrale Orte der Stadt erreicht werden. Auch sind intermodale Wege in Verbindung mit dem öffentlichen Verkehr einfach möglich. Die Verbindung zum Bahnhof in die Stadt kann zu Fuß durch einen begrünten Weg zurückgelegt werden. Aber auch durch Buslinien mit etwa 50 Haltestellen kann man die zentralen Orte in der Stadt erreichen.
Ein durchdachtes Parksystem für Autos stellt 13 131 Stellplätze bereit. Der Großteil der Parkflächen ist kostenfrei (8691 Parkplätze), lediglich für 4440 Parkplätze müssen Gebühren bezahlt werden. Die größten Parkplätze sind meist nicht länger als zehn Gehminuten von den zentralen Orten der Stadt entfernt. Durch dieses Parksystem wird eine deutliche Reduzierung des motorisierten Verkehrs im Stadtzentrum erreicht.
In Pontevedra gibt es keine gesonderten Radfahrwege, da durch die Beschränkung des Tempolimits auf 30 km/h eine sichere Umgebung für Radfahrer auf der Straße geschaffen wurde. Allerdings werden Fahrräder als verträglich für Fußgängerzonen angesehen. Abstellmöglichkeiten wie Fahrradbügel befinden sich über das gesamte Stadtgebiet verteilt und es sind Karten und Informationen für den Radverkehr sowie den Fußverkehr vorhanden.
3. Verdeutlichung der kurzen Wege
Die Intention der Fußverkehrsstrategie für Pontevedra bestand darin die Menschen zum Gehen zu motivieren und die realen (oftmals sehr geringen) Entfernungen von verschiedenen innerstädtischen Zielen untereinander darzustellen. Dies wurde mithilfe einer umfassenden Kommunikationspolitik umgesetzt, welche neben konventionellen Medien (Fernsehen, Zeitung, Radio) und unmittelbaren Bemühungen auch elektronische Kommunikation (Internet, Smartphone), grafischen Darstellungen und allgemeinem Einfallsreichtum umfasste. Die Karte "metrominuto" stellt dabei das Hauptwerbe- und Informationsmittel dar, welches die Bevölkerung über tatsächliche Entfernungen hinweisen soll und dazu beiträgt, zu Fuß gehen zu fördern.
4. Mobilität früh einüben
Die Mobilität von Kindern ist von großer Bedeutung. Die Verkehrserziehung fängt schon in der Grundschule an und wird in weiterführenden Schulen fortgesetzt. Es gibt Verkehrshelfer an bedeutenden Kreuzungen, welche zu den Hauptverkehrszeiten von Schülern, die Sicherheit und die Priorität des Fußverkehrs gewährleisten. Die Kinder sollen schon früh viel über nachhaltige Mobilität lernen. Viele Geschäfte in der Stadt helfen dabei die Schulwege sicherer zu machen, indem sie bei Fragen und Problemen für die Kinder da sind und ihnen helfen. Kindergerechte Broschüren (diese sind Geschichten) werden verteilt, um spielend das Verhalten im Verkehr zu erlernen.(3)
Was ist bisher umgesetzt / erreicht worden?
In Folge der Fußverkehrsstrategie wurde der motorisierte Verkehr weitestgehend aus dem öffentlichen Raum entfernt, weshalb der Anteil des Fuß- und Radverkehrs auf 65% angestiegen ist. Die meisten Menschen gehen zu Fuß in die Stadt, nachdem sie ihr Auto am Stadtrand geparkt haben oder mit Bus und Bahn angereist sind. Die Menschen können sich nun sehr komfortabel und ohne den Stress durch den Autoverkehr in der Stadt bewegen. Pontevedra bietet nun mehr Lebensqualität und ist allgemein für Fußgänger attraktiver, der Dienstleistungssektor sowie Tourismus und Handel konnten ebenfalls profitieren. Weiterhin wird die Umwelt weniger durch Abgase belastet. Die Sicherheit im Straßenverkehr wurde stark verbessert und die Anzahl der Verkehrstoten und schwerer Unfälle deutlich reduziert. (4)
Der Konzeptionelle Rahmen des 'metrominuto'
1. Die Urbane Mobilität
- Die Mobilitätsbedürfnisse wachsen, die Verkehrträger erhöhen ihre Kapazitäten, Sicherheit und Komfort sind wichtiger denn je.
- Probleme bei der Mobilität treten vor allem in urbanen Räumen auf, welche noch ungelöst sind und sich in den letzten Jahrzehnten negativ entwickelt haben.
2. Gibt es eine Lösung für die urbane Mobilität?
- Es wurden viele Maßnahmen zur Verbesserung und Förderung des Fußverkehrs entworfen und umgesetzt (Absenkung der Fußwege, Unterquerungen, Überquerungen, grüne Wellen, Verbesserung des öffentlichen Verkehrs usw.). Sie haben zwar die jeweiligen Situationen verbessert, aber konnten das allgemeine Problem nicht lösen.
- Ohne eine Bewältigung dieser Hintergrundproblematiken, werden auch zukünftige Pläne nicht die allgemeinen Probleme bei der Entwicklung und Förderung des Fußverkehrs lösen können.
3. Die Prioritäten der urbanen Mobilität umkehren
- Es besteht eine Ungerechtigkeit zwischen den einzelnen Mobilitätsformen. Diese reduziert die Sicherheit und die Qualität des öffentlichen Lebens.
- Unter dieser Ungerechtigkeit leiden der Fuß- und Radverkehr und der öffentliche Verkehr. In besonderem Maße trifft es jedoch den Fuß- und Radverkehr.
4. Fußverkehrsmobilität
- Fußverkehr ist der natürlichste und wichtigste Verkehr und kann nicht ersetzt werden. Andere Verkehrsarten können dagegen sehr gut durch Alternativen ersetzt werden.
- Der Vorteil des motorisierten Verkehres gegenüber Fuß- und Radverkehr ist seine Geschwindigkeit und die Bequemlichkeit. Allerdings kann er unmotorisierte Bewegunsmittel nicht vollständig ersetzen.
- Zu Fuß Gehen ist eine Eigenschaft, die zum Menschen dazugehört (ausgenommen sind Menschen mit körperlichen Einschränkungen).
- Zu Fuß gehen ist in urbanen Räumen am sinnvollsten, vor allem in Bezug auf Zeit und Entfernungen.
- Fußverkehr muss mit anderen Verkehrsmitteln kombiniert werden, um auch über weite Strecken effizient zu bleiben.
5. Das Stadtstraßennetzwerk
- Bisherige Verkehrsverbesserungen vernachlässigten den Fußverkehr und dessen Bedürfnisse, was in einer stetigen Verkleinerung und Verschlechterung der öffentlichen Räume (besonders straßenbegleitende) für Fußgänger resultierte.
- Die Priorisierung des motorisierten Verkehrs hatte Maßnahmen wie unbenutzbare Fußwege, große Barrieren, Umwege, Zäune, mangelhafte Über- und Unterquerungen, die Übernahme von Fußwegen durch Autos, Lampen, die zwar die Fahrbahn beleuchten aber nicht die Fußwege und viele weitere Konsequenzen zur Folge.
- Fußgängers-Mobilität muss mindestens die gleiche Wichtigkeit wie der motorisierte Verkehr haben.
- Die Belange von Fußgängern müssen in Regulierungen und dem Design des öffentlichen Raumes dem motorisierten Verkehr gleichgestellt sein.
6. Balance zwischen den verschieden Mobilitätsformen
- Grundsätzlich gilt, dass an Orten, an denen der motorisierte Verkehr vom Fußverkehr getrennt ist, der motorisierte Verkehr inklusive ruhendem Verkehr niemals mehr als die Hälfte des Raums beanspruchen darf.
- Insgesamt muss mindestens 2,5m Breite für den Fußweg eingeplant werden.
- Im Kreuzungsbereich muss der motorisierte Verkehr baulich zu geringen Geschwindigkeiten reduziert werden und der Fußverkehr sollte Vorrang bekommen.
7. Das 'Recht' auf Parken
- Das ´Recht' auf Parken im öffentlichen Raum muss seine monopolistischen Privilegien verlieren. Nicht die Interessen der Einzelnen sollen im öffentlichen Raum im Vordergrund stehen sondern die der Gemeinschaft.
8. Das Konzept der Notwendigkeit
- Motorisierter Verkehr hat viele negative Einflüsse und verursacht viele Probleme in Städten: Luftverschmutzung, Lärm, verstopfte Straßen, Staus und negative Einflüsse auf andere Mobilitätsformen. Auf der anderen Seite ist das Auto Teil unserer Zivilisation, das gewisse Vorzüge mit sich bringt. Eine Lösung sollte rational und ausgewogener sein.
- Die Notwendigkeit von privat genutzten Autos ist ein wichtiger Aspekt. Wenn diese gegeben ist, müssen öffentlicher Räume für Kraftfahrzeuge bereit gestellt werden.
9. Geschwindigkeiten
- Mit einigen Ausnahmen sollte eine allgemeine Reduzierung der Geschwindigkeiten auf 30km/h in der Stadt durchgesetzt werden. Diese würde die Unfallgefahr, die Schwere der Unfälle und die Lärmbelastung deutlich reduzieren.
- Im Durchschnitt halten sich 10-15% der Autofahrer nicht an die vorgegebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen. Somit müssen bauliche Maßnahmen getroffen werden, um die Begrenzung flächendeckend umzusetzen.
- Die Sicherheit im Verkehr kann aber nicht ausschließlich über die Anzahl der Unfälle und die der Verkehrsopfer gemessen werden. Es sind auch Faktoren wie das Gefühl für Sicherheit, die diese bestimmen.
10. Soziale Dynamik
- Der Prozess der Umstrukturierung der Verkehrsartennutzung beinhaltet mehrere Ebenen, da sich die Bevölkerung erst an eine möglichst unmotorisierte Bewegung gewöhnen muss.
- Der motorisierte Individualverkehr widerstrebt einem Verlust seiner Privilegierung, der gerechteren Aufteilung, der allgemeinen Verbesserung der Mobilität, der Verkehrssicherheit und der städtebaulichen Qualität.
11. Dreizehn Jahre Erfahrung
Der Durchführungsprozess findet in Pontevedra fortwährend statt. In der gesamten Stadt gilt das Tempolimit von 30km/h. Die zuvor beschriebenen baulichen Maßnahmen wurden umgesetzt. Klare Prinzipien und Konzepte haben zum Erfolg der Umsetzung beigetragen. Die Durchführung ist zwar in einem fortgeschrittenen Prozess, aber sie ist noch nicht abgeschlossen. Es lassen sich aber schon Zwischenfazite ziehen:
- Die urbane Qualität und die Qualität für den Fuß- und Radverkehr sind hoch und gleichzeitig wurde die Mobilität innerhalb der Stadt nicht verschlechtert. Die Stadt ist attraktiver, sicherer und funktioniert insgesamt besser. Jeder, der wirklich etwas mit dem Auto abliefern muss, kann dies nun viel besser tun als zuvor. Der Personenverkehr hat sich insgesamt ebenfalls verbessert.
- Nach der Mobilitätsstudie von 2011 werden zwei Drittel der urbanen Umgestaltungen nun dem Fußverkehr zugeordnet. Die Flächen für den motorisierten Verkehr haben sich drastisch reduziert und wurden in Flächen des Fußverkehrs umgebaut. Hier sei nochmals auf das Konzept der Notwendigkeit verwiesen.
- Auf der anderen Seite sind die Unfallzahlen sehr niedrig. In den letzten 13 Jahren (seit Transformationsbeginn) gibt es keine Verkehrstoten oder schwer verletzte Verkehrsopfer mehr.
12. Eine Umkehrung der Prioritäten
- Klarer Vorrang für den Fußverkehr, starke Restriktionen für den motorisierten Verkehr, Änderungen der Parkmöglichkeiten und das Einführen des Konzepts der Notwendigkeit (Punkt 8), hat zur Folge, dass die Intensität des motorisierten Verkehrs kontrollierbar wird. Der straßengebundene öffentliche Verkehr bekommt dadurch weniger Probleme, der Radverkehr wird deutlich komfortabler durch die Koexistenz beider auf der Fahrbahn mit reduzierten Geschwindigkeiten sowie der Ermöglichung des (Rad-) Befahren von Promenaden und Fußverkehrsbereichen.
- Die hier erlangten Erfahrungen zeigen die Lösung für urbane Mobilität und Sicherheit durch die absolute Priorität des Fußverkehrs über alle anderen Mobilitätsformen.
Nachwort
Die Vorteile in Hinblick auf städtebauliche Qualität und Verkehrssicherheit sind erwiesen, tiefgreifend und nachweisbar, dass sich die vielen gemachten Anstrengungen gelohnt haben. Die Autor/innen sind davon überzeugt, dass genau dieser der richtige Weg für urbane Mobilität und Sicherheit ist. Die Lösung wird nur aus klaren Vorstellungen resultieren und dies gilt nicht nur für die Fußverkehrsmobilität in urbanen Umgebungen.(5)
Quellen und Anmerkungen:
- Concella de Pontevedra 2013: Pontevedra Better on foot, Seite 7-9.
- Karte zum Download
- Concella de Pontevedra 2013, Seite 10-13.
- Ebd., Seite 14.
- Ebd., Seite 16-20.
Die Beschreibung der Aktivitäten zur strategischen Förderung des Fußverkehrs in der Stadt Pontevedra und damit verbunden die Übersetzung des Dokumentes erfolgten Ende 2016.
Die Fußverkehrsstrategie von San Francisco: „WalkFirst“
Die Stadt San Francisco in Kalifornien, an der Westküste der USA, möchte die Fußgängerunfälle deutlich reduzieren und ein Fußwegenetz entwickeln. Folgende fünf Fragestellungen waren für einen Handlungsleitfaden für kommunale Fußverkehrsstrategien auch in Deutschland von Interesse:
- Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
- Gibt es einen Durchführungs-Beschluss?
- Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
- Ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen?
- Wie werden die Vorhaben finanziert?
Am Ende finden Sie die Quellenangabe.
Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
Der Stadt ging es in erster Linie um die Erhöhung der Fußgängersicherheit in Zonen mit vielen schwerverletzten und getöteten Fußgängern und damit um die Umsetzung der „Vision Null“, d.h. der Reduzierung der tödlichen Verkehrsunfälle innerhalb von 10 Jahren auf Null. Außerdem soll ein Hauptfußwegenetz aufgebaut werden.
Gibt es einen Durchführungs-Beschluss?
Die Stadt hat das Konzept stufenweise beschlossen:
2006: Better Streets Plan – Plan: Besseres Straßenumfeld
2008/09: Executive Directive 10-03 – Anweisung der Exekutive Nr. 10-03: „Fußgängersicherheit in San Francisco“
2010: Pedestrian Strategy – Fußverkehrsstrategie
2010/11: WalkFirst, Phase 1 – „Zu-Fuß-Zuerst“ (Phase 1)
2012/13: Vision Zero – „Vision Null“
2013/14: WalkFirst, Phase 2 – „Zu-Fuß-Zuerst“ (Phase 2)
2014: WalkFirst Streetscape Prioritization – Hauptfußwegegehnetz (Phase 3)
Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
Für die zwei Hauptzielvorgaben gab es folgende Vorgehensweise:
- Zuerst wurde eine Karte erstellt, in der die Zonen mit schweren und tödlichen Fußgängerunfällen verzeichnet sind. Hierzu wurden die entsprechenden Unfalldaten ausgewertet (datenbasierter Ansatz) und es wurden erste Handlungsempfehlungen erarbeitet.
- Durch die Erstellung eines „Rahmenplans“ für das Projekt „Zu-Fuß-Zuerst“ sollen künftige Verbesserungsmaßnahmen für den Fußverkehr priorisiert werden. Für die Netzgestaltung wurde eine Karte erstellt mit Straßenzügen, auf denen die Menschen zu Fuß gehen oder zu Fuß gehen würden, wenn die Bedingungen besser wären. Die Faktoren, die zur Bestimmung dieser Straßen angewendet wurden, umfassen z.B. die Bevölkerungsdichte, die Zahl der Benutzer öffentlicher Verkehrsmittel und den Flächenverbrauch.
Ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen?
Im Rahmen der Gehwegnetzplanung ist die Einbeziehung von Rückmeldungen aus der Bevölkerung vorgesehen (community feedback). Darüber hinaus soll durch Öffentlichkeitsarbeit auf das Projekt hingewiesen werden.
Wie werden die Vorhaben finanziert?
Im Jahre 2010 erhielt die Stadt San Francisco ein Darlehen vom „California Office of Traffic Safety“ (der Behörde für Verkehrssicherheit des Staates Kalifornien) zur Finanzierung der ersten Phase von „Zu-Fuß-Zuerst“, einem Projekt zur Entwicklung eines Rahmenplans (framework), wie die Stadt künftige Verbesserungen im Fußgängerverkehr priorisieren kann. Zum anderen hat die Stadt ein 17-Millionen-Dollar-Programm über einen Zeitraum von 5 Jahren in den Haushalt gestellt. Die Arbeitsgruppe „Verkehr“ des Oberbürgermeisters hat eine Gesamtsumme von 50 Millionen Dollar empfohlen.
Quellen und Anmerkungen:
City and Country of San Francisco: „Walk First“
Die Beschreibung der Aktivitäten zur strategischen Förderung des Fußverkehrs in der Stadt San Francisco und damit verbunden die Übersetzung des Dokumentes erfolgten Ende 2016.
Die Fußverkehrsstrategie von Toronto: “Toronto Walking Strategy - Everyone is a Pedestrian”
Die Stadt Toronto in Kanada hat eine Vision für eine fußgängerfreundliche Stadt entwickelt. Folgende fünf Fragestellungen waren für einen Handlungsleitfaden für kommunale Fußverkehrsstrategien auch in Deutschland von Interesse:
- Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
- Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
- Wie werden die Vorhaben finanziert?
Am Ende finden Sie die Quellenangabe.
Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
Die Fußverkehrsstrategie Torontos ist eine Vision für eine lebenswertere, florierende und nachhaltige Großstadt. Es soll eine zeitgemäße und qualitativ hochwertige Umgebung für den Fußverkehr entstehen und gleichzeitig soll die Kultur des Zu-Fuß-Gehens weiterentwickelt und gefördert werden. Mittels einer Zusammenführung von bestehenden Grundsätzen, Richtlinien und Programmen mit neuen Initiativen, Leitbildern und Maßnahmen soll eine Revitalisierung des Fußverkehrs stattfinden. Ziel der Fußverkehrsstrategie ist es, Straßen und öffentliche Plätze für den Fußverkehr gerecht zu modernisieren, um somit das hohe Potenzial der Stadt nutzen zu können.(1)
Gründe für eine Planaufstellung lassen sich besonders im Gesundheitsbereich und der autogerechten Stadtgestaltung finden. Schätzungsweise sterben jedes Jahr ungefähr 1700 Menschen in Toronto an den Folgen von Smog-Belastung. Außerdem wird davon ausgegangen, dass die Hälfte der in Toronto lebenden Erwachsenen körperlich nicht aktiv genug sind, um ihren Stand der Gesundheit zu halten oder zu verbessern.(2) Nur 36% der Kinder und Jugendlichen gehen zu Fuß zur Schule. Dies ist eine dramatische Wendung, denn vor 30 Jahren waren es noch 80%. Immer weniger Menschen aller Altersgruppen bewegen sich ausreichend und somit steigt der Anteil der Fettleibigen, Herzkrankheiten, Diabetes und andere chronische Gesundheitsprobleme.(3)
Im Rahmen der Fußverkehrsstrategie wurden sechs langfristige Ziele definiert, die zu einer fußverkehrsfreundlichen Stadt führen sollen:
- Eine Kultur des Gehens soll in der gesamten Stadt unterstützt und gefördert werden.
- Jegliche Bürgersteige und sonstige Fußwege sollen eine klare, einfache und leicht zugängliche Navigation innerhalb der Stadt ermöglichen.
- Sowohl öffentliche als auch private Bauprojekte bieten Möglichkeiten, einen hochwertigen öffentlichen Raum für Fußgänger zu erzeugen.
- Hilfsmittel, die der Orientierung, Wegfindung oder Navigation dienen (wie Beschilderung, Leitsysteme und Karten), werden das Zu-Fuß-Gehen einfacher und angenehmer gestalten.
- Fußverkehrsbezogene Projekte und Vorhaben werden durch mehrere Beschlüsse und Behörden gesamtstädtisch koordiniert.
- Gegenden mit unzureichender Gestaltung des öffentlichen Raumes werden zu fußgängerfreundlichen Orten verändert, entwickelt und umgestaltet.(4)
Die Intention der Fußverkehrsstrategie ist es, Toronto in einen Ort für Fußgänger zu verändern, an dem Bewohner und Besucher sich als Teil einer Fußgängerkultur verstehen. Innerhalb Torontos sollen Straßen, Parks, öffentliche Orte und Stadtviertel zugänglich, sicher, lebendig und angenehm sein, sodass sich die Menschen häufiger dazu entscheiden zu Fuß zu gehen. Zudem sollen Fußgängern gute Anbindungen zum öffentlichen Verkehr, Radverkehr und anderen nachhaltigen Transportmitteln zur Verfügung gestellt werden. Essentieller Bestandteil ist das Ziel einer flächendeckenden Verteilung von Geschäften, Dienstleistungen und anderen zentralen Orten, um eine fußläufige Entfernung zu sichern. Durch die Erfahrungen, die zu Fuß gemacht werden, soll zudem eine engere Verbundenheit mit den Stadtteilen erzeugt werden.(5)
Die Fußverkehrsstrategie basiert auf folgenden Grundsätzen:
- Allgemeine Zugänglichkeit: Alle öffentlichen und privaten Orte sollen barrierefrei sein
- Sicherheit: Die Sicherheit der Fußgänger hat Vorrang vor allen anderen Verkehrsarten
- Gestalterische Spitzenleistung: Eine hohe städtebauliche Qualität erzeugt positive Erfahrungen für alle.(6)
Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
Die Umsetzung der Fußverkehrsstrategie ist eng verbunden mit der Koordination der Behörden und Abteilungen der Stadtverwaltung. Diese müssen untereinander koordiniert und auf einander abgestimmt werden. Die Umsetzung der Strategie soll Teil von bestehenden Prozessen und Programmen sein, inklusive dem Bericht zur Stadtentwicklung, dem jährlichen Kapitalbericht und verschiedenen Stadtteil spezifischen Programmen.(7)
Die Umsetzungsstrategie für den jeweiligen Bereich der Stadt wird mit Hilfe von Detailplänen genau beschrieben und den jeweiligen Gegebenheiten angepasst. Die jährlichen Budgetpläne der Stadt ermöglichen es, für die Sicherheit und die Attraktivität von Fußwegen mehr Geld zu investieren. Vor allem geht es hierbei um Wege zur Erholung, entlang der wichtigsten Straßen, um Kreuzungssituationen und um Wege zu zentralen Orten und Haltepunkten des ÖV. Vor allem in wachsenden Gegenden Torontos und in der Innenstadt muss der Fußverkehr eine wichtige Rolle bei der Neugestaltung von Gebäuden einnehmen. Wichtig ist auch, dass die Eingänge einfach und leicht zugänglich gestaltet werden. Zudem ist die Beleuchtung der Fußwege ein sehr wichtiger Punkt für die Qualität der Fußverkehrsinfrastruktur.
Folgende Verbesserungen sollten durch die Neugestaltung eintreten:
- eine bessere Straßenraumgestaltung, inklusive Baum- und Landschaftsgestaltung,
- direkte Fußwege von zentralen Orten zu Haltepunkten des ÖV, zu wichtigen Orten im jeweiligen Stadtteil und dem unterirdischen PATH- System(8),
- Aus- oder Umbau von Gebäudeeingängen oder anderen Zugängen, um den Fußverkehr zu priorisieren,
- ein Wegerecht, das es Fußgängern erlaubt, über private Grundstücke zu laufen sowie
- eine Gebäudegestaltung (Art und Maß), die sich positiv auf den Fußverkehr auswirkt.
Der Schwerpunkt der Fußverkehrsstrategie Torontos liegt in den verschiedenen Quartieren, da sich dort die Maßnahmen am konkretesten umsetzen lassen und die Menschen in ihrem eigenen Quartier Wege zu Fuß zurücklegen sollen. Nur so soll es ermöglicht werden, eine Kultur des Fußverkehrs in Toronto zu etablieren. Diese Maßnahmen sollen unter Berücksichtigung der Aspekte der Sauberkeit, Schönheit und der Gesundheit realisiert werden.
Der offizielle Plan Torontos sieht folgende Maßnahmen vor:
- Verbesserungen an den Straßen begleitenden Fußwegen, einschließlich Straßenbäume, Beleuchtung und Straßenmobiliar,
- koordinierte Landschaftsverbesserungen in schwachen Gegenden, um attraktive Wege von privaten zu öffentlichen Gebieten zu ermöglichen,
- Schutz vor Wettereinflüssen durch Markisen und Vordächer,
- Grünflächen in Entwicklungsstandorten,
- grüne Raumkanten vor allem entlang von Parkplätzen, um diese visuell zu verdecken und den Raum einzufassen,
- sichere Fußverkehrsrouten und Baumpflanzungen auf Parkplätzen sowie
- Kunst im öffentlichen Raum und an Gebäuden und Grundstücken, um die Gebäude und den öffentlichen Raum so attraktiv wie möglich zu gestalten.(9)
Wie werden die Vorhaben finanziert?
Viele Unterziele der jeweiligen Aktionsfelder können über existierende Finanzmittel der Stadt gedeckt werden (z.B. das benötigte Personal oder der Bau neuer Fußwege). Bei manchen Unterzielen müssen jedoch neue Finanzmittel bereit gestellt werden. Beispiele dafür sind neue Kampagnen oder der Bau von neuen Plätzen und Projekten.
Quellen und Anmerkungen:
- City of Toronto 2009: Toronto Walking Strategy: Everyone is a Pedestrian. Vorwort, Seiten 1-2.
- Ebd., Seite 6.
- Ebd., Seite 7.
- Ebd., Seite 3.
- Ebd., Seite 4.
- Ebd., Seite 11.
- Ebd., Seite 39-42.
- PATH ist ein in unterirdisches Wegesystem mit einer Länge von 30km. Dieses bietet Gelegenheiten zum Einkaufen, zu Dienstleistungen und zur Unterhaltung. Weitere Informationen
- City of Toronto 2009, Toronto Walking Strategy: Everyone is a Pedestrian. Seite 9.
Die Beschreibung der Aktivitäten zur strategischen Förderung des Fußverkehrs in der Stadt Toronto und damit verbunden die Übersetzung des Dokumentes erfolgten Ende 2016.
Der Fußgängerplan von Straßburg: „Plan piéton de la ville de Strasbourg“
Die Stadt Straßburg am östlichen Rand von Frankreich hat einen recht umfassenden und thematisch ambitionierten Plan zur Förderung des Fußverkehrs beschlossen und bereits einige der Maßnahmen umgesetzt. Folgende sieben Fragestellungen waren für einen Handlungsleitfaden für kommunale Fußverkehrsstrategien auch in Deutschland von Interesse:
- Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
- Gibt es einen Durchführungs-Beschluss?
- Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
- Ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen?
- Wie werden die Vorhaben finanziert?
- Was ist bisher umgesetzt / erreicht worden?
Am Ende finden Sie die Quellenangabe.
Welches waren die zentralen Gründe und sind die Ziele für die Initiative?
Der Straßburger Fußgängerplan (Plan piéton de la ville de Strasbourg 2012-2020) war eine Weiterentwicklung der fortschrittlichen Verkehrspolitik der Stadt, die seit 1989 die Entwicklung einer sanfteren Mobilität fördert. Dies geschah bisher u.a. durch die Entwicklung einer autoreduzierten und fahrradfreundlichen Stadt oder durch die Einführung von Straßenbahnlinien und Fußgängerzonen. Durch den Fußgängerplan sollten folgende drei Problemstellungen angegangen werden:
1. Die Herausforderung des Gesundheitswesens
Mit der Entwicklung der motorisierten Verkehrsmittel hat sich seit 30 Jahren die körperliche Betätigung der Menschen reduziert. Die Abnahme einer ausreichenden Alltagsbewegung hat zur Erhöhung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und vom Übergewicht in der Gesellschaft geführt. Zwischen 1997 und 2009 hat sich die Anzahl von Menschen mit Fettleibigkeit im Elsass fast verdoppelt und lag im Jahr 2009 bei 17,8% (1). Die Stadt Straßburg spricht von einer wachsenden übertriebenen „Sesshaftigkeit“, die sowohl Erwachsene als auch Kinder betrifft. Die Förderung des Fußverkehrs habe also nicht nur eine praktische Tragweite, sondern sei eine Frage der Gesundheitsvorsorge.
2. Die gesellschaftlichen Herausforderungen
Für die Stadt Straßburg ist das Zu-Fuß-Gehen mit mehreren Vorteilen verbunden. Es ist gesünder, umweltfreundlicher, sparsamer und ermöglicht eine größere Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit in der Stadt. Jedoch sei der gesellschaftliche Vorteil vom Fußverkehr zu oft unterschätzt und vernachlässigt worden. Die Stadt Straßburg betont, dass Zu-Fuß-Gehen in der Stadt auch zur Entwicklung eines verstärkten Zusammenlebens und einer gemeinsamen Stadtkultur führt. Durch die Fußgängerinnen und Fußgänger existiere der öffentliche Raum und sie vermindern die „gegenseitige Fremdheit“ (mutuelle étrangeté), die einer Stadt innewohnen würde.
3. Eine Lücke in den Regelwerken
Der Fußverkehr und die Fußverkehrsstrategien waren in den Regelwerken und Planungsvorgaben des Gemeindeverbandes „Eurométropole de Strasbourg“ (Straßburg Eurometropole) oder der Stadt Straßburg bisher nicht enthalten. Im Gegensatz dazu gab es für jedes andere Hauptverkehrsmittel eine strategische Planung. Zum Beispiel ist der Autoverkehr durch einen Verkehrsplan und eine Parkraumbewirtschaftung reguliert, während der Bus, die Straßenbahn und das Fahrrad ihren eigenen Masterplan haben. Dies ermögliche eine erhöhte Nachvollziehbarkeit sowohl für die öffentlichen Investitionen als auch für die definierten Ziele und Handlungsmittel. Daher wünschte sich die Stadt Straßburg, diese Lücke durch einen Fußverkehrsplan zu schließen.
Darüber hinaus geht man viel zu Fuß in Straßburg: Laut einer Studie wird ein Drittel der Fortbewegungen von Bürgerinnen und Bürgern zu Fuß durchgeführt. Der Anteil des Fußverkehrs in der Innenstadt liegt sogar bei 52%. Deswegen war das Ausmaß des Gehens in der Stadt auch ein Hauptgrund für die Entwicklung des Fußgängerplans.(2)
Ziel des Fußgängerplans ist es, den Weg für eine fußgängerfreundliche Politik zu ebnen. Mit den 10 Aktivitäten lassen sich verschiedene Zielsetzungen erreichen. Der Plan soll
- es ermöglichen, die Freude des Zu-Fuß-Gehens wieder zu entdecken (Aktion 1)
- den Platz für die Mobilität zu Fuß auf den Straßen vergrößern (Aktionen 2, Aktion 3)
- eine städtische Struktur von fußverkehrsgeeigneten öffentlichen Straßen schaffen (Aktion 4)
- die Reichweite des öffentlichen Personenverkehrs ÖPV vergrößern (Aktion 5)
- das Zu-Fuß-Gehen vom Wohnort bis zur Schule fördern (Aktion 6)
- eine Barrierefreiheit der Wege umsetzen (Aktionen 7,8,9,10)
Gibt es einen Durchführungs-Beschluss?
Der Fußgängerplan der Stadt Straßburg 2012-2020 (plan piéton de la ville de Strasbourg 2012-2020), auch „Straßburg, eine Stadt in Bewegung“ (Strasbourg, une ville en marche) genannt, wurde am 23.1.2012 vom Stadtrat beschlossen. Der Beschluss beinhaltet 10 Aktivitäten und beauftragt den Gemeindeverband „Eurométropole de Strasbourg“, bei der Entwicklung und Gestaltung des öffentlichen Raumes in der Stadt Straßburg auf die Grundsätze des Fußgängerplans aufzubauen:
- Die 10 Punkte des Fußgängerplans sollen als Maßstab in allen kommenden Straßenbau- und Stadtplanungsvorgängen gelten.
- Im Rahmen der Umsetzung eines „meisterhaften Fußverkehrsnetzes“ (réseau piétonnier magistral), das die zentralen Quartierslagen verbinden soll, wird der Gemeindeverband „Eurométropole de Strasbourg“ im Jahr 2012-2013 eine Testachse vom Hauptbahnhof (Gare centrale) bis zum Marktplatz (place du marché) in Neudorf realisieren.(3)
Wie sehen die konkreten Handlungsanweisungen aus?
Der Fußgängerplan stellt 10 Aktionen mit konkreten Handlungsanweisungen dar:
1. Das zu-Fuß-Gehen fördern:
- Veranstaltungen organisieren
- die kurzen „Fußgänger-Gehzeiten“ (temps-piéton) verdeutlichen (z.B. „in 5 Minuten erreichbar“)
- besondere attraktive Fußwege ans Licht bringen
2. Den Fußgängerinnen und Fußgängern mehr Platz gewähren:
- für den Fußverkehr zumindest 50% des Raums in der neuen Charta der öffentlichen Raumplanung widmen (die Charta wird bei Projekten von öffentlichen Straßenbauten, -sanierungen und -ausbesserungen angewendet).
3. Die Konflikte zwischen Zu-Fuß-Gehenden und Fahrradfahrenden entschärfen:
Dies soll insbesondere geschehen durch die Einrichtung neuer Fahrradwege nach einem Fußgänger-Fahrrad-Konfliktplan, der die Stärke des Konfliktes und die entsprechende Form des Fahrradweges oder der Fahrradeinrichtung einschätzen soll.
4. Stadtplanungsdokumente für eine Verbesserung der Fußbarrierefreiheit verwenden:
Das generelle Ziel ist es, ein feines Netz von zu Fuß erreichbaren öffentlichen Straßen in städtischen Gebieten dadurch zu schaffen, dass Stadtplanungsdokumente wie die lokalen Städtebaupläne (Plan Locaux d'Urbanisme) angepasst werden.
5. Die Erreichbarkeit von Haltestellen verbessern:
Bei ÖPNV-Projekten (projets TCPS) sollen stets Verbesserungen der Fußverkehrsanbindung analysiert und möglichst gleichzeitig mit der Maßnahme umgesetzt werden. Derartige Verbesserungen können beispielsweise durch die Erstellung neuer Wege oder die Optimierung und Sicherung der Überquerungen entstehen. Die Untersuchung wird auf einem 500 Meter Radius um die Stationen und Haltestellen durchgeführt. Die anfallenden Kosten müssen niedriger als 1% des Mittelbudgets für die Streckerweiterungen sein.
6. Einführung des Pédibus auf Schulwegen:
- Es sollen bis 2015 Laufbus-Strecken für alle öffentlichen Grundschulen bis 2015 in Straßburg eingeführt und auf Dauer angelegt werden legen.
7. Fußverkehr auf Tempo-50-Straßen attraktiver machen:
- Es sind neue Fußgängerüberwege anzulegen mit dem Ziel, einen Abstand von maximal 100 Metern zu erreichen.
- Besonders die Sicherheit und Zugänglichkeit der wichtigsten Fußgängerüberwege soll verbessert werden.
8. Die Übergänge an Kreuzungen für den Fußverkehr verbessern:
- Es soll eine Anpassung der Ampelschaltungen an die Bedürfnisse der Fußgänger stattfinden, z.B. durch eine Verlängerung der Grün-Zeit.
- Es sind innovative Handlungen an bestimmten komplexen Kreuzungen vorgesehen, z.B. Begegnungszonen, Ampel mit besonderen Phasen, diagonale Überquerungen.
9. Das Fußverkehrs-Wegesystem ausbauen:
- Die Wegeverbindungs-Lücken z.B. durch Verkehrsadern oder den Wasserlauf sollen geschlossen werden.
- Der Komfort für die Gehenden soll auf dem existierenden Wegesystem verbessert werden.
- Darüber hinaus sollen neue Verbindungen realisiert werden.
10. Ein „meisterhaftes Fußverkehrsnetz“ (réseau piétonnier magistral) umsetzen:
- Es soll ein fußgängerfreundliches Netz umgesetzt werden, das die weniger als zwei Kilometer entfernten zentralen Quartiersanlagen verbindet.
- Ein Testweg vom Hauptbahnhof (Gare centrale) bis zum Marktplatz (place du marché) in Neudorf soll in Zusammenarbeit mit Straßburg Eurometropole geschaffen werden.
Ist eine Bürgerbeteiligung vorgesehen?
Für die Umsetzung von einzelnen Maßnahmen finden öffentliche Sitzungen statt, z.B. für die Neugestaltung der Straße Rue du Maire Kuss.(4)
Wie werden die Vorhaben finanziert?
Es gibt keinen gewidmeten Etat für den gesamten Fußgängerplan. Wie beim Fahrradplan sind alle Maßnahmen und Einrichtungen, z.B. Fußgängerbrücken, Fußgängerübergänge, Bänke, Verbesserung der Barrierefreiheit oder der Zugänglichkeit, usw. im Etat vom Straßenbauamt integriert.
Was ist bisher umgesetzt / erreicht worden?
Das Projekt war zum Zeitpunkt dieser Beschreibung noch nicht abgeschlossen. Die folgenden Maßnahmen sind unvollständig und können nur einen Einblick bieten:
Neugestaltung der Straße „rue du faubourg de Pierre“ (im Rahmen der zehnten Aktion) durch Begrünung der Straße und Erweiterung des Raums für den Fußverkehr und für den Aufenthalt. Der vorherige Fußgängerbereich nahm 39% und der jetzige nimmt 45% des öffentlichen Raumes ein.(5)
Vorschlag für fünf zusätzliche fußgängerfreundliche Einrichtungen bei der Verlängerung der Straßenbahnlinie A an der Rudloff Haltestelle (im Rahmen der fünften Aktion und des 1% des Budgets). Die Vorschläge enthalten den Grunderwerb und die Einrichtung von Fußgängerwegen – und Übergängen, die Erhaltung eines Fußgängerzugangs zu einem Park (Parc d'Activités d'Eckbolsheim), die Einrichtung eines Fußgängerüberganges auf der Straße Impasse des Tulipes, die Einrichtung von zwei Fußgängerübergängen und die fußgängerfreundliche Optimierung einer Kreuzung.(6)
Versuch von einem neuen gesicherten Zebrastreifen auf dem Ufer Quai des Alpes (im Rahmen der siebten Aktion). Zur Verbesserung der Sichtverhältnisse müssen die Autofahrenden das Auto fünf Meter vor dem Fußgängerübergang stoppen.(7)
Straßenumbau und Optimierung der Verkehrsregelung an der Kreuzung Pont Kuss und Quai Saint Jean durch neue Zebrastreifen und Straßeneinrichtungen (im Rahmen der achten Aktion). Darüber hinaus wurde im März 2014 ein neues Ampelsystem an der Kreuzung versucht, in dem die Ampeln die noch vorhandene Überquerungszeit anzeigen. Das Projekt wurde positiv evaluiert und solche Ampeln wurden 2017 an vier weiteren Kreuzungen getestet.(8)
Neugestaltung der Straße rue de la Brigade Alsace-Lorraine im Jahr 2013 (im Rahmen der zehnten Aktion und der Erstellung des neuen Fußverkehrsnetzes). Ziel der Umgestaltung war es,
- mehr Platz für den Fuß- und Fahrradverkehr zu schaffen,
- den öffentlichen Raum durch eine Reduzierung der Steigerungen und Hindernisse und eine Verbesserung der niveaufreien Gestaltungen erreichbarer zu machen,
- Tempo 30 auf der Straße einzuführen, um den Fußgängerinnen und Fußgängern eine sichere Querung der Fahrbahnen zu ermöglichen.
- die Fortbewegungen zu sichern und die Nutzungskonflikte einzuschränken, indem die Geschwindigkeit der Fahrzeuge reduziert worden ist
- den Zu-Fuß-Gehenden attraktive Fußwege durch eine Bepflanzung der Straße und die Einrichtung neuer Verkehrszeichnen am Boden anzubieten
- das Parkplatzangebot zu behalten mit sogar einer Erweiterung des Parkplatzes am Maréchal de Lattre de Tassigny Platz.(9)
Neugestaltung der Straße Rue du Maire Kuss, die die Innenstadt und den Hauptbahnhof verbindet. Ziel war es,
- die Gehwege auf 4,30 Meter zu verbreiten und den Platz für den motorisierten Individualverkehr zu verringern,
- der Straße mit einem neuen bunten Bodenbelag den Autocharakter zu nehmen,
- die Kreuzung Straße rue du maire Kuss und Ufer quai Saint Jean umzugestalten, um die Überquerungen zu sichern und zu erleichtern. Dabei ging es auch darum, einen der Hauptzugänge zur Stadt zu verbessern und mit einer Bepflanzung zu verschönern.(10)
Quellen und Anmerkungen:
- Enquête épidémiologique nationale sur le surpoids et l'obésité, ObÉpi, Roche, 2009, Seite 38.
- Enquête ménage déplacement 2009
- Stadtratbeschluss vom 23.01.2012 „Strasbourg, „une ville en marche“ ou le Plan Piéton de la ville de Strasbourg 2012-2020“ (erster Anhang des Fußgängerplans, Seite 51-53).
- öffentliche Sitzung
- Fußgängerplan, Seite 28 mit Bildern.
- Fußgängerplan, Seite 35 mit Abbildung.
- Fußgängerplan, Seite 39 mit Abbildung.
- Fußgängerplan, Seite 42 mit Abbildung
- Website der Straßburg Eurometropole, enthält Fotos vor und nach der Maßnahme.
- Website der Straßburg Eurometropole,
Die offizielle Website der Stadt „Straßburg eine Stadt in Bewegung - Strasbourg une ville en marche“:; die PDF „Fußgängerplan Plan piéton, ville de Strasbourg 2011-2020, 23.01.2012“.
Die Beschreibung der Aktivitäten zur strategischen Förderung des Fußverkehrs in der Stadt Straßburg und damit verbunden die Übersetzung der Dokumente erfolgten im Januar 2018.